Harninkontinenz Formen, die Sie kennen sollten

Wissen, das Sicherheit gibt: Die wichtigsten Inkontinenzformen einfach erklärt.

Aktualisiert am 19.08.2025
6 Min. Lesezeit

Manchmal sendet unser Körper Signale, die wir nicht sofort verstehen – Symptome wie ständiger Harndrang oder ungewollter Urinverlust. Viele Menschen kennen das drängende Gefühl, „mal zu müssen“, ohne sicher zu sein, ob sie es rechtzeitig zur Toilette schaffen. Harninkontinenz kann in jedem Alter auftreten, und auch die Arten unterscheiden sich.

Alexander Tobian
Abteilungsleiter Vertriebsbüro & Abrechnung
Geprüft von: Andreas Mehrens | Altenpfleger / Medizinprodukteberater im Außendienst

Einleitung

In diesem Artikel erfahren Sie, welche Harninkontinenz Formen es gibt, wen sie betreffen, welche Ursachen dahinterstecken und was Sie dagegen tun können.

Bitte beachten: Welche Form der Inkontinenz vorliegt, sollte unbedingt von einem Arzt – idealerweise einem Facharzt für Urologie oder Gynäkologie – diagnostiziert werden.

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Zusammenfassung
Das Wichtigste in Kürze
  • Kommt in jedem Alter vor: Von Kindern bis älteren Menschen kann jeder betroffen sein.
  • Häufig im Alter: Beckenbodenschwäche, Krankheiten oder Medikamente sind typische Auslöser.
  • Bei Kindern meist entwicklungsbedingt: Nachts durch Reifungsverzögerung, tagsüber oft funktionelle Ursachen
  • Miktionsprotokoll hilft: Ein Blasentagebuch zeigt Muster und unterstützt die Diagnose.
  • Vier Hauptformen: Belastungs-, Drang-, Misch- und Überlaufinkontinenz – jeweils mit unterschiedlichen Ursachen.

1. Inkontinenz im Alter bei Frauen und Männern

Blasenschwäche tritt besonders häufig im höheren Lebensalter auf. Bei Personen über 60 Jahren liegt die Häufigkeit bei bis zu 61 %, in Pflegeeinrichtungen sind es sogar bis zu 80 % der Bewohner*innen. Bis zum Alter von 75 Jahren sind Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Mit zunehmendem Alter nimmt jedoch auch der Anteil der Männer zu, sodass sich die Geschlechterunterschiede im hohen Alter allmählich angleichen. 

Ursachen für Inkontinenz im Alter sind unter anderem:

  • Beckenboden- und Schließmuskelschwäche

  • Reizblase

  • Restharnbildung in der Blase (unzureichende Entleerung)

  • Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson, Multiple Sklerose oder Rückenmarksschädigungen 

  • Funktionelle Einschränkungen (z. B. Mobilitätsprobleme)

  • Bestimmte Medikamente oder Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus)

  • Hormonelle Veränderungen (bei Frauen)

2. Blasenschwäche bei Kindern

Einnässen ist das häufigste urologische Problem im Kindesalter – es betrifft etwa jedes zehnte Schulkind. Beim Bettnässen (medizinisch: Enuresis) sollten auch andere mögliche Ursachen vom Arzt abgeklärt werden.

Enuresis (nächtliches Einnässen)

Viele Kinder nässen nachts ein – bis zum 5. Lebensjahr ist das ganz normal. Wenn das Problem darüber hinaus besteht, liegt oft eine Reifungsverzögerung der Blasenkontrolle vor.
Wichtig: Ihr Kind kann nichts dafür. Mit einfachen Maßnahmen wie regelmäßigen Toilettengängen, Trinkplänen und ggf. einem Miktionsplan kann man meist schnell Besserung erreichen.

Kindliche Harninkontinenz (Einnässen am Tag)

Einnässen am Tag hat meist funktionelle Ursachen, z. B. eine überaktive Blase oder das bewusste Zurückhalten von Urin. Mit Geduld, Urotherapie und kindgerechter Begleitung sind gute Fortschritte möglich. Körperliche Ursachen sollte man immer ausschließen – je früher man handelt, desto besser lassen sich die Beschwerden in den Griff bekommen.
 

3. Miktionsprotokoll: Hilfe bei Inkontinenz und Harndrang

Ein Miktionsprotokoll (Blasentagebuch) ist ein wertvolles Hilfsmittel, um die Ursachen von Inkontinenz, Drang zur Blasenentleerung, Blasenschwäche oder Urinverlust besser zu verstehen und herauszufinden, um welche Harninkontinenz Form es sich genau handelt. Es unterstützt die ärztliche Diagnose, verbessert die Therapie und hilft dabei, den Alltag wieder aktiv zu gestalten. Viele Ärztinnen, Pflegekräfte und Expertinnen empfehlen das Führen eines solchen Tagebuchs. Darin wird auf einen Blick sichtbar:

  • wie oft die Harnblase entleert wird,

  • wann starker Toilettendrang auftritt,

  • wie viel getrunken wurde.

So lassen sich Muster erkennen, Werte vergleichen und passende Hilfsmittel auswählen. Dieses Protokoll ist häufig Teil eines Blasentrainings – Betroffene lernen dabei, ihre Blase schrittweise an einen regelmäßigen Rhythmus zu gewöhnen.

Laden Sie hier das Miktionsprotokoll herunter, das erste wichtige Hinweise auf mögliche Harninkontinenz Formen geben kann – für Fragen dazu sprechen Sie gerne unsere Mitarbeitenden an; bitte beachten Sie, dass eine endgültige Diagnose ausschließlich durch eine Ärztin oder einen Arzt gestellt werden kann.

Miktionsprotokoll downloaden      Kindermiktionsprotokoll downloaden 

Unser Tipp:

  • Nach jedem Toilettengang: Uhrzeit, Menge und ggf. Urinabgang notieren

  • Getränkeart und Trinkmenge erfassen

  • Besondere Situationen festhalten (z. B. wenn beim Lachen oder Husten etwas „abgeht“)

  • Drei Tage reichen oft für hilfreiche Erkenntnisse

„Ein Miktionsprotokoll in Kombination mit einem gezielten Blasentraining kann wahre Wunder wirken. Viele unserer Patienten gewinnen dadurch deutlich an Kontrolle und Lebensqualität“, erklärt unsere Pflegeexpertin.

Ein kostenloses Muster unseres Miktionsprotokolls für Erwachsene und Kinder können Sie übrigens direkt hier herunterladen

 

4. Harninkontinenz Formen im Überblick: 4 Haupttypen

Laut Definition der International Continence Society (ICS) gibt es vier Ausprägungen der Harninkontinenz. Wir stellen diese vier Typen nachfolgend kurz vor. Je nach Quelle werden allerdings auch weitere spezielle Inkontinenzformen beschrieben – so wird zum Beispiel die Reflexinkontinenz bei bestimmten neurologischen Störungen manchmal als eigene Kategorie aufgeführt.

  1. Belastungsinkontinenz

  2. Dranginkontinenz

  3. Mischinkontinenz

  4. Überlaufinkontinenz

  5. Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz)

Die Belastungsinkontinenz ist eine häufige Harninkontinenz Form, die vor allem Frauen betrifft. Schon ein leichter Druck im Bauchraum – etwa beim Lachen oder Husten – kann hierbei Urin aus der Blase pressen. Die Harnröhre hält dem zunehmenden Druck nicht stand, weil der Beckenboden und der Blasenschließmuskel geschwächt sind. Bereits bei Inkontinenz Grad 1 fühlen sich Betroffene dadurch stark eingeschränkt und in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt.

5. Was hilft bei Belastungsinkontinenz?

  1. Beckenbodentraining: Regelmäßige Übungen stärken die Muskulatur und stützen Blase sowie Harnröhre.

  2. Inkontinenzhilfen: Spezielle Vorlagen und andere aufsaugende Hilfsmittel bieten sofort Sicherheit im Alltag.

  3. Operation: Bei höhergradiger Inkontinenz können minimalinvasive Eingriffe (z. B. ein Spannband) die Kontinenz langfristig wiederherstellen.

6. Dranginkontinenz (Harndrang-Inkontinenz)

Dranginkontinenz bezeichnet einen unwillkürlichen Harnabgang, der mit plötzlich auftretendem, starkem Dranggefühl einhergeht. Man unterscheidet dabei zwei Untertypen (motorisch und sensorisch) sowie eine Sonderform:

  • Überaktive Blase (motorische Dranginkontinenz): Hier fehlt oft die hemmende Nervensignalgebung an den Blasenmuskel. Die Blasenmuskulatur zieht sich dadurch immer wieder unkontrolliert zusammen – Betroffene verlieren schwallartig kleine Urinmengen. Mögliche Auslöser sind neurologische Erkrankungen (z. B. Parkinson oder Multiple Sklerose), eine vergrößerte Prostata (Prostatahyperplasie) oder Diabetes mellitus.

  • Überempfindliche Blase (sensorische Dranginkontinenz): Diese Blase meldet fälschlicherweise Harndrang, obwohl eigentlich kein Grund besteht. Ursache ist eine gestörte Signalübertragung zwischen Blase und Gehirn: Nervenenden in der Blasenwand signalisieren „voll“, obwohl die Blase kaum gefüllt oder sogar leer ist. Das Gehirn lässt daraufhin den Blasenmuskel zusammenziehen – und plötzlich entsteht starker Harndrang, häufig mit Urinverlust. 

    Ursachen hierfür: 

    • wiederkehrende Blasenentzündungen

    • Blasensteine

    • Östrogenmangel

    • eine verengte Harnröhre

    • Prostatavergrößerung beim Mann

    • Bindegewebsschwäche im Laufe des Lebens

    • eine Schwangerschaft / Geburt 

  • Giggle-Inkontinenz (Lachinkontinenz): Diese seltene Form tritt beim Lachen auf – der Harndrang wird dabei durch das Lachen selbst reflektorisch ausgelöst. Bei Erwachsenen liegt der Grund oft in einem geschwächten Beckenboden. Lachinkontinenz äußert sich hier ähnlich wie eine Belastungsinkontinenz: Bei starkem Lachen kann unkontrolliert Urin austreten. Mit gezieltem Training der Beckenbodenmuskulatur lässt sich die Kontrolle jedoch meist zurückgewinnen. Bei Kindern – vor allem bei Mädchen vor der Pubertät – steckt hinter der Lachinkontinenz meist eine genetisch bedingte Reflexstörung: Ein Reflex löst plötzlich die Blasenentleerung aus, oft ohne auf die Toilette zu müssen.

7. Mischinkontinenz

Mischinkontinenz ist das gleichzeitige Auftreten von Drang- und Belastungsinkontinenz. Betroffene erleben also plötzlich auftretenden Dranggefühl und unwillkürlichen Harnverlust zum Beispiel bei körperlicher Anstrengung. Mischinkontinenz ist die zweithäufigste Harninkontinenz Form bei Frauen und tritt häufig nach der Menopause auf. 

Ursachen von Mischinkontinenz können sein:

  • Schwäche des Bindegewebes und der Beckenbodenmuskulatur

  • Gebärmuttersenkung

  • Vorherrschende Drangkomponente (neurogene Störungen, z. B. Reizblase)

  • Seltener: Tumore

8. Überlaufinkontinenz (chronische Harnretention)

Streng genommen zählt diese Harninkontinenz Form nicht zu den Klassischen, sondern entsteht als Folge einer chronischen Harnretention (unzureichenden Blasenentleerung). Dabei bleibt ein Großteil des Urins in der Blase, obwohl Betroffene regelmäßig urinieren und häufig zur Toilette müssen. Der Blasendruck steigt immer weiter an, bis kleinere Urinmengen schließlich das Hindernis überwinden – die Blase „läuft über“ und es kommt zu einem kontinuierlichen Harntröpfeln.

Man unterscheidet zwei Arten:

  • Obstruktive Überlaufinkontinenz: Der Blasenausgang ist durch ein Hindernis verengt oder blockiert. Dieses Hindernis muss vom Facharzt beseitigt werden – entweder medikamentös oder operativ. 

  • Funktionelle Überlaufinkontinenz: Der Blasenmuskel zieht sich nicht mehr kräftig genug zusammen, um die Blase vollständig zu entleeren. Auslöser können neurologische Erkrankungen (z. B. Demenz, Parkinson oder Rückenmarksverletzungen) oder bestimmte Medikamente (etwa Beruhigungsmittel) sein. 

9. Nykturie (nächtlicher Harndrang)

Normalerweise ist es kein Problem, nachts ein- bis zweimal zur Toilette zu müssen. Wenn der Schlaf jedoch regelmäßig häufiger unterbrochen werden muss, spricht man von Nykturie. Diese Harninkontinenz Form betrifft Frauen und Männer aller Altersgruppen. 

Mögliche Ursachen der Nykturie sind: 

  • Hormonelle Veränderungen (z. B. verminderte nächtliche ADH-Bildung) 

  • Prostatavergrößerung 

  • Blasenentzündungen 

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzschwäche) 

  • Diabetes mellitus 

  • Psychische Erkrankungen 

10. Zusammengefasst: Was Sie über Harninkontinenz Formen wissen sollten

Niemand sollte sich für ungewollten Urinabgang schämen – das Thema Harninkontinenz ist viel weiter verbreitet, als man denkt. Ob Stress-, Drang-, Misch- oder Überlaufinkontinenz: Alle Harninkontinenz Formen sind heute in den meisten Fällen gut behandelbar. 

Entscheidend ist eine gründliche ärztliche Untersuchung und Diagnose. So können die Ursachen gezielt angegangen werden. Oft hilft bereits das Anpassen von Gewohnheiten. Zum Beispiel durch Blasentraining, Beckenbodengymnastik oder einen individuellen Trink- und Toilettenplan. Bei Bedarf stehen außerdem Hilfsmittel, Medikamente oder auch operative Therapien zur Verfügung. 

Wichtig ist, offen über das Thema zu sprechen. Je früher sich Betroffene Hilfe holen, desto schneller lässt sich die eigene Lebensqualität zurückgewinnen. Harninkontinenz muss kein Tabu bleiben – mit den richtigen Maßnahmen können Patienten aller Altersgruppen wieder ein aktives und selbstbestimmtes Leben führen. Weitere Informationen und praktische Tipps finden Sie auch in unseren anderen Fachartikeln. 

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